Public Viewing
Freitag, 16. Januar 2009, 12:58 Uhr von Christian
Unter „Public Viewing“ versteht der moderne Deutsche eine öffentliche Vorführung, z. B. die nahezu unverzögerte Übertragung eines Fußballspiels auf einer großen Leinwand vor begeistertem Publikum.
Für einen Amerikaner ergibt diese Wortkombination keinen Sinn, solange sie nicht innerhalb eines Satzes oder einer themenspezifischen Diskussion verwendet wird. Meist wird dieses Konstrukt jedoch im Kontext einer öffentlichen Beerdigung verstanden, wenn diese für bekannte Persönlichkeiten (z. B. als zeremonieller Bestandteil der Trauer um Prinzessin Diana oder um Papst John XXIII.) stattfindet, welche zwar auch an ein großes Publikum gerichtet ist, allerdings mit etwas weniger Begeisterung.
In LEO findet sich „Ausstellung eines aufgebahrten Leichnams“ als einzige Übersetzung. PONS führt „zur Besichtigung freigegeben“ als Übersetzung für „open for public viewing“ auf. In dict.cc sind beide Bedeutungen („öffentliche Besichtigung“ sowie „öffentliche Aufbahrung“) erfasst. Es kommt hierbei also auf den Zusammenhang der Verwendung an. Wikipedia („Liveübertragung von Sportveranstaltungen oder andere Großereignissen auf Großbildwänden an öffentlichen Standorten“) und der Duden („Liveübertragung auf Großleinwände auf öffentlichen Plätzen“, aus Fremdwörterbuch, Band 5, 2007) haben sich gänzlich der eingedeutschten Version verschrieben.
In Deutschland wurde dieser Begriff durch die FIFA im Rahmen der Fußball-WM 2006 geprägt und wird seitdem als Schlagwort für alle Arten von Vorführungen in der Öffentlichkeit verwendet, [Ironie] da es Englisch und daher natürlich viel besser aussieht und klingt als jede muttersprachliche Bezeichnung. [Ironie Ende]
Im Oktober 2007 wurde der Begriff zusammen mit einem Logo als Bild-/Wortmarke von einer Großbildwände vermietenden Firma aus Magdeburg sogar beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen.
Der Radiosender 1LIVE führte im Juni 2008 eine Umfrage zur Wahl einer Alternative durch, bei welcher das Wort „Rudelgucken“ als Sieger hervorging, knapp gefolgt von „Gruppenglotzen“. Beide Varianten betonen meiner Meinung nach viel stärker den gemeinschaftlichen Aspekt einer solchen Veranstaltung als die schnöde wörtliche Übersetzung (und das zudem scheinanglizistische Derivat) einer öffentlichen Vorführung.
Geschrieben in: deutsche Sprache | Schlagwörter: Englisch, Public Viewing, Scheinanglizismus
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